Interview zur agilen Organisation: Arbeitet es sich bei Netural anders?
zur ÜbersichtErfolgreiche Business-Modelle brauchen engagierte Persönlichkeiten mit Leadership-Mentalität. Seit drei Jahren ist Irene Bouchal-Gahleitner als HR Lead bei Netural in einer solchen Rolle.
Sie befasst sich operativ mit unserer Organisations-Entwicklung und hält das Unternehmen stets zukunftsfit. Im Interview spricht Irene über agiles Arbeiten, sowie ihre Motivation, das gesamte Team in die Verantwortung zu nehmen.

Irene Bouchal-Gahleitner, HR und Organizational Lead bei Netural.
Irene, was verstehst du im Kontext von Netural unter „agil“?
Den Mitarbeitern den Spielraum zu geben, selbst die besten Entscheidungen für den Kunden und das Unternehmen treffen zu können. Wir haben toll ausgebildete, engagierte Mitarbeiter, die in ihrem Verantwortungsbereich agieren und wachsen können und die Kunden in ihrer Gesamtheit verstehen.
Warum habt ihr eure Organisation umgestellt, was war das Motiv dahinter?
Die Komplexität der Anforderungen unserer Kunden und die damit entstehende Dynamik in der Netural, braucht die Verteilung der Verantwortung auf Teams. Eine einzelne Person, egal in welcher hierarchischen Ebene sie angesiedelt wäre, würde Projekte in unserem Komplexitätsgrad nicht mehr managen und umsetzen können. Es braucht einerseits die unterschiedlichen Perspektiven aus den verschiedenen Disziplinen und andererseits kurze Entscheidungswege von Personen, die täglich mit unseren Kunden in Kontakt sind. Sonst entstehen immer wieder Engpässe und unsere Innovationskraft erleidet zu viele Reibungsverluste.
Was ist jetzt anders als vorher, und welche Learnings haben sich ergeben?
Unsere Mitarbeiter bringen sich viel stärker als vorher mit all ihren Seiten ein. Sie agieren vorausschauend, denken wirtschaftlich, innovieren aus eigener Kraft und sind stolz auf Projekterfolge, weil sie jetzt Zusammenhänge besser verstehen und zufriedene Kunden als ihren Erfolg feiern. Learnings: Eine Phase der so tiefgreifenden Veränderung erfordert sehr viel Einsatz aller Beteiligten. Es braucht viel Geduld und Durchhaltevermögen, in anstrengenden Zeiten nicht wieder in alte Verhaltensmuster zu fallen.
Worin liegt der Vorteil für den Einzelnen?
Unsere Mitarbeiter werden nicht als Ressource verplant, sondern können sich, je nach Interesse und Stärken, in die Organisation selbst einbringen und ein vielfältiges Angebot an Entwicklungspfaden nutzen. Durch die Übernahme von Rollen kann ich mich selbst ausprobieren und mich selbst besser kennenlernen. Ich darf Rollen auch wieder abgeben und habe so die Möglichkeit zwischen Führungs- und Fachaufgaben, ohne Gesichtsverlust, zu wechseln.
Wie kommen Entscheidungen zustande, und inwieweit kann ich mich als Mitarbeiter involvieren?
Entscheidungen kommen auf unterschiedliche Weise zustande. Es sollte aber von vornherein klar sein, wer welchen Spielraum bei welchem Thema hat. In manchen Bereichen, wie etwa Recruitingentscheidungen, trifft die Geschäftsführung die Letztentscheidung. Andere Themen, wie etwa Teamplanung, Projektpriorisierungen, Weiterbildungsschwerpunkte und sämtliche Entscheidungen rund um unsere Kunden, treffen die Teams selbst und hier wieder die zuständigen Mitarbeiter in ihren Rollen.
Wenn Hierarchien immer mehr schwinden, wie sehen mögliche Entwicklungswege aus?
Sehr viel bunter und vielfältiger als in klassischen Pyramiden. Jeder Mitarbeiter kann sich für verschiedene Rollen zur Wahl stellen und wird dann von seinen Teamkollegen gewählt, wenn sie ihn für die Aufgabe als geeignet wahrnehmen. Oder eben nicht. So hat auch ein junger Mitarbeiter die Möglichkeit, ein Mitglied des Steuerungsteams zu werden und kann sich in seiner Führungsqualität ausprobieren. Oder aber sein Interesse gilt mehr den fachspezifischen Fragestellungen. Dann wäre eine potenzielle Rolle die des fachlichen Leads. In dieser Position definiert er Standards, steht anderen als Mentor zur Verfügung und sorgt für ein einheitliches Qualifikationsniveau in seinem Fachteam. Es ist also durchaus spannend, wenn man das Angebot annimmt.
Wie lang hat die Umsetzung gedauert?
Wir sind noch immer mittendrin und lernen jeden Tag wieder etwas dazu. Die große Herausforderung dabei ist nämlich nicht, neue Rollen zu definieren und ein Organigramm neu zu zeichnen (das wir übrigens noch gar nicht haben). Vielmehr geht es darum, ein Menschenbild in den beruflichen Alltag zu integrieren, das ein Miteinander auf Augenhöhe zulässt. Es hat viel mit einer Unternehmenskultur zu tun, die Feedback und kollaboratives Arbeiten unterstützt. Und es braucht Menschen die sich selbst zutrauen und dann auch einfordern, Entscheidungen zu treffen und dafür die Verantwortung zu nehmen. Ich schätze, dass wir drei Jahre brauchen, bis das Alte vom Neuen tatsächlich abgelöst ist.
Wie muss man kulturell gestrickt sein, damit so ein Projekt möglich ist?
Man braucht Entscheidungsträger, die es sich nicht bequem machen und Eitelkeiten keinen Platz geben. Damit entsteht ein kultureller Raum, der für Innovation, Lernen, Ausprobieren und einem Miteinander und Füreinander genutzt werden kann. Und: Es braucht die Gewissheit, dass man richtig gut ist in dem was man tut und Freude daran hat. Hier entsteht der Mut, die Dinge neu zu denken und im Gehen zu lernen.
Wie wird es mit dem Projekt weitergehen?
Dass wir uns verändern und wachsen, wird hoffentlich nie aufhören. Meine derzeitige Einschätzung ist, dass wir die nächsten ein bis zwei Jahre noch damit beschäftigt sind, klassische Tools und Formate durch neue, intuitive Lösungen abzulösen. Das passiert nebenbei und eines nach dem anderen. Eine große Reorganisation wie im letzten Jahr, hoffe ich, dass wir durch unsere neue Organisationsform überhaupt nie wieder brauchen.
Danke für das Gespräch, Irene!
Sehr gerne!